Fixpunkt, erschienen in der RZ am 08.11.2024:Die Fäden unseres Lebens
„Mädchen, soll ich dir noch ein Paar Socken stricken?” Jedes Jahr im Herbst hörte ich diese Frage von meiner Oma, die über viele Jahre hinweg nicht nur mir zahlreiche Paare Socken gestrickt hat. Oft saß sie schon im Spätsommer neben meinem Opa in der Laube, überblickte ihren Garten und arbeitete an einem Paar Socken für jemanden aus der Familie. Dabei war es ihr egal, ob sie für ihre eigenen Kinder, Enkel und Urenkel strickte oder für jemanden aus der angeheirateten Familie. In jede Masche steckte meine Oma ihre Liebe und Wärme, aber auch ihre Lebenserfahrungen.
Wenn ich nun in der kalten Jahreszeit Wollsocken trage, denke ich an die vielen Erinnerungen mit meinen Großeltern. Wie viele andere haben auch sie am Stoff meines Lebens mitgestrickt. Aber ich denke auch daran, dass es noch jemanden gibt, der das Grundgerüst für mein Leben strickt: Gott hat sich Gedanken gemacht, wie mein Leben aussehen kann. Der Verfasser von Psalm 139 (Vers 13-16) hat auch die Erfahrung gemacht, dass Gott ihn ganz wunderbar geschaffen hat und einen Plan für sein Leben hatte.
Und so schön dieser Gedanke auch ist, ertappe ich mich manchmal bei der Frage, ob ich nicht mit manchen Entscheidungen meines Lebens dieses Grundgerüst sprenge, das Strickmuster verändere oder sogar Fäden zerreiße. Denn ich bin ein Mensch mit Eigenarten und mache Fehler, die Gott vielleicht so nicht für mich vorgesehen hat. Aber ich glaube, dass Gott es schafft, auf diese Dinge zu reagieren und mich dabei zu unterstützen, damit mein Leben trotzdem gelingt.
Wenn Sie das nächste Mal eine gestrickte Socke oder einen Schal in der Hand halten, überlegen Sie einmal: Welche Fäden meines Lebens hat Gott für mich gestrickt und wo habe ich mit seiner Hilfe ein paar Maschen hinzugefügt?