Fixpunkt, erschienen in der RZ am 04.10.2024:Wonach hungert es Sie?

Wenn wir früher zu den Großeltern meiner Frau in einem kleinen Dorf auf der Rheinhöhe gefahren sind, war der zweite Satz nach einer Begrüßung: “Hast du schon was gegessen?” Und gleich waren wir angekommen. Oma ging es dabei sicher nicht um die Stillung des Grundbedürfnisses, denn alle Kinder und Enkel hatten ihr Auskommen und waren grundsätzlich satt. Es war ein Zeichen von Gastfreundschaft, Willkommen-heißen und letztlich Liebe. Aufgewachsen in einer landwirtschaftlichen Struktur und ausgebildet als Hauswirtschafterin war gerade die Sorge um Andere Teil ihres Lebens. Staunend standen wir in der Vorratsküche vor Gläsern mit selbstgemachter Marmelade und eingekochtem Gemüse. Niemand sollte Hunger leiden müssen. Ein wunderbarer Gedanke – nicht nur für die Familie, sondern auch weltweit. 
Im Vater-unser beten wir: “Unser tägliches Brot gib uns heute”, aber es geht um mehr als Brot. Eher sollte es mit “Gib uns das, was wir heute brauchen”, übersetzt werden, denn das kann sehr individuell sein. Wonach hungert es Sie? Was brauchen Sie zum (Über-)Leben? Wer oder was kann diesen Hunger stillen? Nicht alles kann man mit Gottes Hilfe lösen, manchmal braucht es tatkräftiges Anpacken oder den Mut zur Veränderung. Aber wenn wir an diesem Wochenende Erntedank feiern, lenken wir unseren Blick auf das, was uns geschenkt ist. Neben der Dankbarkeit über das Wachsen und Ernten, über sauberes Wasser, den Zugang zu Lebensmitteln und in den meisten Fällen gefüllte Kühlschränke geht es auch um gelingende Pläne, Lösungen für Herausforderungen, positive familiäre und freundschaftliche Beziehungen und, und, und. All das ist nicht selbstverständlich. Für mich ein Geschenk Gottes, aber auch die Ernte meines Lebens, meines Zugehens auf Menschen, meiner Offenheit. 
Und für Sie? 
Ein frohes und erfülltes Erntedankfest wünscht Ihnen
Carsten Kling
Gemeindereferent in der Pfarrei Vorderhunsrück St. Hildegard Emmelshausen